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Ernst Abbe

Größter gelehrter Sohn der Stadt Eisenach im 19. Jahrhundert

Der am 23. Januar 1840 als Sohn des Spinnereiarbeiters Adam Abbe in der Eisenacher Sophienstraße geborene Ernst-Abbe war nach Werner Schmid "...eine jener Gestalten, in denen sich deutsche Gründlichkeit mit höchstem sittlichem Ernst und tiefstem Verantwortungsbewußtsein sowie menschlicher Güte paarten."

Zweifellos war er einer der bedeutendsten Wissenschaftler aber auch Sozialreformer, die in Deutschland im 19. Jahrhundert gewirkt haben. Schon bald wurden seine Lehrer auf die außergewöhnlichen Fähigkeiten des jungen Ernst aufmerksam. Sie empfahlen ihn für eine "höhere Schullaufbahn", woher aber sollte Vater Abbe das Geld nehmen? Nicht ohne Grund ermöglichte die Familie von Eichel - Besitzer der Spinnerei, in welcher Vater Abbe arbeitete - durch Übernahme des Schulgeldes dem begabten jungen Ernst Abbe den Besuch der Realschule von 1850 bis 1857 in Eisenach.

Aus dem erlesenen Kreis der Realschüler ragte Ernst Abbe durch seine besonderen Fähigkeiten bald heraus. Seine Tagebucheintragungen in den Jahren 1856/57 weisen ein hohes Maß an Selbststudium nach. Täglich, auch an Sonn- und Feiertagen, betrieb er diese Studien, insbesondere mit naturwissenschaftlicher Literatur. Für das Jahr 1856 wurden 88 Titel an Zusatzliteratur angegeben, zu größeren Teilen ausgeliehen in Bibliotheken, bei Lehrern und Mitschülern. Die Abiturerfolge Ernst Abbes sind folgerichtiges Ergebnis dieses zielgerichteten Arbeitens. Anstelle der üblichen 8 Jahre brauchte Abbe zur Erlangung eines glänzenden Reifezeugnisses nur deren 7. Mit 17 Jahren wurde er zu Beginn der Prima zielgerichtet auf einen vorzeitigen Abschluß des Realgymnasiums vorbereitet. In sieben Fächern erhielt er das Prädikat "Recht gut" (sehr gut), in 3 Fächern "gut" . Besonders seine Arbeit zur Geometrischen Optik im Fach Physik wird von seinen Prüfern hervorgehoben: "Ausgezeichnete, bis auf eine Kleinigkeit fehlerlose Arbeit, in welcher die Aufgabe ganz allgemein und mit höherer Mathematik entwickelt ist, was beides nicht verlangt war".

Ernst Abbes Zeugnis trug mit ausdrücklicher Erlaubnis der Weimarer Staatsregierung die erweiterte Bezeichnung: "Zeugniß der Reife zum Abgang auf die Universität". Dieses Prädikat wurde für einen Realschüler zum ersten Mal erteilt, etwa 35 Jahre, bevor die allgemeine Gleichstellung der Abschlüsse zwischen Realgymnasien und humanistischen Gymnasien in Deutschland erfolgte. Nachdem Adam Abbe gemeinsam mit seinem Sohn vom Fabrikanten Eichel eine Freigabe erreicht hatte, ging der Sohn nach Jena, um den ersehnten Traum vom Studium zu verwirklichen. Sein Drang zur Erkenntnis bzw. seine Liebe zur Wissenschaft waren übermächtig geworden.

  

Aber: Ernst Abbe war nicht nur herausragender Schüler des Eisenacher Realgymnasiums, der an Stelle der üblichen 8 nur 7 Jahre zur Erlangung des Reifezeugnisses brauchte, er war nicht nur der Student, der die Nächte im verschlafenen, 6800 Einwohner zählenden Universitätsstädtchen Jena u.a. deshalb durcharbeitete, weil zahlreiche Mitbewohner aus dem Tierreich ihm das Schlafen unmöglich machten, er war nicht nur der Student der sich bei zwei Preisausschreiben der Universität den ersten Preis holte - Ernst Abbe war viel mehr. In ihm schlug das Herz eines freien Menschen, der als Kind in der Eisenacher Burgmühlenwohnung Revolutionäre der gescheiterten 48iger Revolution versteckte, auf den das soziale Elend vieler Arbeiterfamilien einen lebenslang prägenden Eindruck hinterließ und an dessen Bahre 1905 Arbeiter der Zeiß-Werke aus freien Stücken Totenwache hielten. Ernst Abbe lebte Sozialpartnerschaft und soziale Marktwirtschaft lange vor deren theoretischer und praktischer Einführung in bester Weise persönlich beispielgebend vor. Ernst Abbe lehnte den Sozialismus als wirtschaftliche Theorie mit Schärfe ab, mit ebensolcher Schärfe wandte er sich gegen die Unterdrückung dieser Bewegung. Er ermöglichte seinen Arbeitern schon vor über 100 Jahren die Teilnahme an Maifeiern oder das Abhalten von Versammlungen im Volkshaus. Ernst Abbe stand mit Leidenschaft auf der Seite der Freiheit, er hasste bzw. verurteilte nichts schärfer als die Unterdrückung Andersgesinnter. Dieser Freiheitsdrang hatte ihn auch veranlasst, aus der Landeskirche auszutreten. So findet folgerichtig am 24. September 1871 ohne kirchliche Trauung - dem Schwiegervater und gelehrten Freund Prof. Snell war es gar nicht recht - die Hochzeit statt. Sein erster Biograph Auerbach schreibt, dass Abbe nichts mehr hasste als die Verfolgung anders Denkender aus religiösen oder politischen Überzeugungen heraus. Gleichsam regte er sich auch dann mächtig auf, wenn Personen, die er schätzte, sich solchen Zuständen beugten. Werner Schmid - ein Biograph aus Zürich spricht sogar "vom Hass auf das Zylinderchristentum" - Abbe sei ein Gegner aller leeren Formen und Formeln gewesen. Das Gebot des Artikel 1 Grundgesetz, "die Würde des Menschen ist unantastbar" war für ihn Leitstern zum Handeln: "Die Gesinnung soll niemals durch einen Arbeitsvertrag beeinflußt werden dürfen." 
Abbe war Mäzen, Philantrop, Menschen- und Arbeiterfreund ebenso, wie ein Mann von bewundernswerter Prinzipienfestigkeit, stellte Auerbach fest. Zeit seines Lebens ließ er sich nie von Äußerlichkeiten blenden oder verleiten:,,Mit dem Doktorschwindel bin ich endlich fertig geworden - zwanzig riesige Diplome habe ich erhalten - der Vater soll damit die Hundehütte, den Abtritt usw. tapezieren",, schreibt er 1861 an seinen Jugendfreund Harald Schütz nach Göttingen. Eben jenem Harald Schütz, dem er in seinen Briefen auch über so manchen feucht fröhlichen Bierabend in Eisenach oder Jena berichtete.

Ernst Abbe war von einem unerbittlichen Wahrheits- und Forscherdrang erfüllt - er wußte, dass sein Wissen nur Bruchstück einer größeren umfassenderen Wahrheit war - danach zog es ihn, danach strebte er, so ist nur zu erklären, dass er nach anfänglichen Mißerfolgen die Gesetze fand, die in Linsen auf die Lichtstrahlen wirken. Am Ende seines Lebens verdankte ihm die praktische Optik nicht weniger als 50 bedeutende Erfindungen bzw. Entdeckungen sowie die Stadt bzw. Universität Jena so manche Zuwendung. Als ihn sein Freund Carl Zeiss über die finanzielle Relevanz seiner Initialentdeckung 1871 unterrichtete, meint Abbe: ,,Ich glaube ein Affe hätte mich geleckt. Und da hätte ich dann ein einfältiger Tor, ein dummer Egoist sein müssen, wenn ich jemals auf den Gedanken hätte kommen sollen, dass der Vorteil mein ausschließliches persönliches Verdienst wäre,,.

Sein plötzlicher Millionenbesitz beunruhigte ihn - "Besitz verpflichtet" war nunmehr sein Credo. "Was an Unternehmereinkommen bezogen wird, das soll der Allgemeinheit wieder zufließen, es gehört nicht denen, die dank ihrer Kapitalmacht dieses Eigentum beziehen." Abbe wollte Regulator sein für das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit und ein "Korrektiv" liefern gegen "gewisse zerstörende Wirkungen der unkontrollierten privat-kapitalistischen Produktionsweise." Ernst Abbe konnte sich sozialen Fortschritt nur im Kontext mit technischem Fortschritt vorstellen, der beste soziale Schutz für die Schwachen bestehe in der Förderung der Leistungsfähigen!

Am 5. Februar 1911, einem Montag, wurde um 12.00 Uhr feierlich eine aus Bronze gegossene Büste Ernst Abbes in Jena geweiht. Die Festrede hielt der für Kultus in Sachsen - Weimar - Eisenach zuständige Staatsminister Dr. Carl Rothe: "Ernst Abbe - welche Fülle bedeutsamer Erinnerungen verbindet sich mit diesem Namen" lautete die Überschrift.

Erinnerungen, die es wert sind, auch in Abbes Geburtsstadt öfter seiner zu gedenken, nicht nur alljährlich zwischen Geburts- und Todestag in der Schule, die seinen Namen mit Stolz trägt, sondern - so ist zu wünschen - durch Kommune und Stadt, deren größter gelehrter Sohn des 19. Jahrhunderts er unbestritten war.

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